Eduardo Moguillansky

Sprechmaschinen


Die Grundidee für die Werkreihe band (Trilogie von wachs, 121, bandskizzen) besteht darin, schon vorhandene Sprach-Klänge analog – instrumental – zu resynthetisieren. Es gibt Klänge, die, selbst in der ungefährlichen Form einer digitalen Aufnahme, noch genug ihrer Aura behalten, um unhörbar zu bleiben. Dies ist ein Versuch, ihre pavlovsche Beschwörung zu durchbrechen: sie zu profanieren.


Eduardo Moguillansky || bandskizzen from Eduardo Moguillansky on Vimeo.



bandskizzen (band III, 2010/2011) für sechs Megafonspieler und Zuspielband


Die Sprechmaschinen des 18. Jahrhunderts waren nach dem genetischen Prinzip gebaut: Die Hardware des Kehlkopfes und des Vokaltrakts wurden in einer stilisierten Form rekonstruiert. Wenn eine solche Imitation treu genug ist, erinnern die Klänge, die damit erzeugt werden, an die der menschlichen Sprache.




Im digitalen Bereich wird nicht die Anatomie plagiiert: Die Gestalten eines Klanges werden in der Form von Signalen berechnet und durch Lautsprecher in den Raum abgespielt. Nicht die Apparatur »Stimme«, sondern ihre Wirkung wird nachgemacht: Ein Algorithmus erzeugt Fluktuationen in der Luft, die einen physikalischen Prozess evozieren, der an sich nie stattgefunden hat.


Im Fall von wachs dient als Quelle eine historische Aufnahme (1979) von einer Pressekonferenz des argentinischen Generals Jorge Rafael Videla, Chef der damaligen Junta. Während dieser Konferenz wird zum ersten Mal offiziell über verschwundene Menschen gesprochen.




Audiotranskription:
»… frente al desaparecido … es una incognita el desaparecido … si apareciera, bueno … tendra un tratamiento X … y si la desaparicion se convirtiera en … certeza … de su fallecimiento … tendra un tratamiento Z … pero mientras sea un desaparecido no, no, no puede tener ningun tratamiento especial … es una incognita … es un desaparecido … no tiene entidad … no esta … ni muerto ni vivo … esta desaparecido.«


»… im Falle des Verschwundenen … das ist eine Unbekannte, der Verschwundene … wenn er auftauchen würde, gut … wird er einer X-Behandlung ausgesetzt … und wenn das Verschwinden sich in eine … Gewissheit … über seinen Tod ... wandeln würde … wird er einer Z-Behandlung ausgesetzt … aber so lange er verschwunden ist, nein, kann der Fall nicht behandelt werden … es ist eine Unbekannte … es ist verschwunden … es hat keine Entität … es ist nicht da … entweder lebendig oder tot … es fehlt.«


Aus diesem Dokument wurde ein Fragment ausgewählt und mit verschiedenen Zeitskalen wiederholt. Diese Versionen wurden hintereinander gestellt – als Landschaft. Das Stück besteht daraus, diese Landschaft durch eine Reihe verschiedener Strategien zu erkunden, hauptsächlich basierend auf einer Technik namens »Konkatenative Resynthese«. Das Terminus an sich mag fremd klingen, die Anwendungen begegnen einem aber regelmäßig: Die Spracherkennung-Software einer Hotline, die Stimme des Navigationscomputers, die dazu auffordert, links oder rechts abzubiegen, bedienen sich dieser Technologie.


Das Prozedere ist überschaubar: Ein Klang wird in kleine Fragmente geteilt; jedes Fragment wird analysiert. Aus einer Datenbank, bestehend aus Referenzklängen, wird eines ausgewählt, dessen spektrale Eigenschaften am besten mit denen des Originalklanges korrespondieren. Wie in einem Mosaik wird die Quelle durch die Konkatenation jener Referenz-Fragmente resynthetisiert, allerdings nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern als Live-Aufführung – analog.




In den normalen Anwendungen wird diese Datenbank aus Klängen gebildet, die dem zu resynthetisierenden Klang ähnlich sind; eine individuelle Stimme wird durch eine Sammlung von Referenzstimmen rekonstruiert. In meinem Stück ist dies nicht der Fall, denn die Datenbank besteht ausschließlich aus Klängen, die mit einem Megaphon ohne Verwendung der Stimme erzeugt werden können. Die Resynthese ist analog: Die Konkatenation wird als Partitur codiert, deren Realisierung synchron mit der Originalaufnahme aufgeführt wird.


Statt eine Stimme zu verstärken, werden die Megaphone selbst zu Stimmen. Nur die Stimmbänder fehlen. Die Megaphone werden ein- und ausgeschaltet, gezupft, geschlagen, geblasen, gestrichen, gerieben. Sie liegen auf Tischen, mit dem Trichter nach unten. Indem der Spieler die Öffnung des Megaphons verändert, können verschiedene Klänge erzeugt werden, die dem Sprachklang ähnlich sind – wie bei einem Wa-Wa Dämpfer.




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